Meine Rechte am Arbeitsplatz

 

Von Brustkrebs betroffen zu sein, kann schwere Auswirkungen auf den Beruf und die Berufstätigkeit mit sich bringen. Monate des Arbeitsunterbruchs, schwierige Wiedereingliederung ins Arbeitsleben, Vorgesetzte, die wenig Verständnis zeigen, etc. Tatsachen, die auf die Moral drücken. Es lohnt sich also, sich ein wenig im juristischen Dschungel auszukennen und dadurch Tretminen geschickt zu umgehen.

 

Zuerst sollte man die gesetzlichen Grundlagen kennen, die einen schützen. Die folgenden Antworten liefern mir einen groben Überblick über meine Möglichkeiten und meine Rechte.

 

Muss ich im Anstellungsgespräch mitteilen, dass ich Brustkrebs habe?

 

Grundsätzlich nein, ich bin nicht verpflichtet, eine Krebserkrankung zu melden. Informationen über Krankheiten gehören zur Privatsphäre einer Person. Das Persönlichkeitsrecht ist im Zivilgesetzbuch festgeschrieben (Artikel 28 ff. Zivilrecht).

 

Aber im Arbeitsalltag ist das alles ein wenig komplizierter. Indem ich einen Arbeitsvertrag unterzeichne, verpflichte ich mich zu einer Leistung und sichere meinem Arbeitgeber auch zu, diese zu erbringen. Wenn ich nun aufgrund einer schweren Erkrankung meine volle Arbeitsleistung nicht erbringen kann, meine Ergebnisse nachlassen und ich häufig wegen Behandlungen abwesend bin, kann mein Arbeitgeber darauf hinweisen, er sei „getäuscht“ worden und den Anstellungsvertrag aufheben. Der Arbeitgeber muss aber dabei die Bestimmungen zum Kündigungsschutz bei unverschuldeter Krankheit einhalten. Eine Kündigung kann auch als nicht rechtsgültig betrachtet werden und zu einer Schadenersatzzahlung an die Arbeitnehmerin führen.

Kurz, wenn durch Krankheit mittelfristig häufige Abwesenheiten erforderlich sind, ist es besser, mit dem Arbeitgeber über die Krankheitssituation zu sprechen. Ist die Behandlung abgeschlossen und besteht Hoffnung, dass es zu keinem Rückfall kommt, muss er darüber nicht informiert werden.

Muss ich meinem Arbeitgeber meine Krebserkrankung mitteilen? Muss ich Ihn über den Verlauf der Krankheit auf dem Laufenden halten

Grundsätzlich bin ich nicht verpflichtet, meinem Vorgesetzten mitzuteilen, dass ich eine Brustkrebserkrankung habe, weil sich aus dem Arbeitsverhältnis keine Pflicht zur Offenbarung privater Angelegenheiten ergibt. Da ich aber eine Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber meinem Arbeitgeber habe (Art. 321a OR), ist es doch sinnvoll, seinen Vorgesetzten zu informieren, dass eine Krankheit vorliegt, die unter Umständen länger andauernde Abwesenheiten zur Folge hat. Es ist aber nicht notwendig, über Einzelheiten Auskunft zu geben (Art. 328 OR)

In den meisten Fällen wendet sich bei längerer Krankmeldung die Lohnausfall-Versicherung meines Arbeitgebers mit einem Auskunftsblatt an mich, um Informationen zu meiner Krankheit zu erhalten. Der Arbeitgeber hat das Recht diese Informationen zu lesen.

Kann mein Lohn bzw. mein Gehalt vom Arbeitgeber gekürzt werden?

 

Nein, der Arbeitgeber hat nicht das Recht, meinen Lohn bzw. mein Gehalt während einer gesetzlich festgeschriebenen Zeit zu kürzen. Man unterscheidet zwei Fälle:

 

1. Der Arbeitgeber hat keine Lohnausfall-Versicherung (Taggeld-Versicherung) abgeschlossen


In diesem Fall greifen die gesetzlichen Regelungen. Gemäss Artikel 324a OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit (je nach Kanton ZH, BS, BE unterschiedlich) zu entrichten. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses und besonderen Umstände spielen dabei auch eine Rolle.

 

Beispiel : Berner Skala, die auch in den meisten Westschweizer Kantonen gültig ist:

  • 3 Wochen zu 100% im 1. Dienstjahr
  • 1 Monat zu 100% im 2. Dienstjahr
  • 2 Monate zu 100% im 3. und 4. Dienstjahr
  • 3 Monate zu 100% im 4. und 5.Dienstjahr
  • 4 Monate zu 100% ab dem 10. und bis zum 14. Dienstjahr
  • 5 Monate zu 100% ab dem 15. und bis zum 20. Dienstjahr
  • 6 Monate zu 100% ab dem 20. Dienstjahr

Gewisse Einzelverträge oder Gesamtarbeitsverträge können auch andere Zeiträume für eine Fortzahlung des Lohns im Krankheitsfall definieren. Der gesetzliche Grundanspruch muss aber in jedem Fall erfüllt sein.

 

2. Der Arbeitgeber hat eine Lohnausfall-Versicherung (Taggeld-Versicherung) abgeschlossen?


In diesem Fall zahlt die Zusatzversicherung meinen Lohn bzw. mein Gehalt, im Normalfall 80% meines jetzigen Gehaltes für 720 Tage der Arbeitsunfähigkeit (Wartefrist: ab erstem Krankheitstag 3 Tage). Der Arbeitgeber kann die restlichen 20% abdecken (keine Pflichtleistung)

 

Kann mir während meiner Krankheit gekündigt werden?

 

Unter der Voraussetzung, dass ich mich nicht in der Probezeit befinde, kann mir ab dem Moment der Krankheitsmeldung gegenüber meinem Vorgesetzten nicht mehr gekündigt werden.

Art. 336c, Abs.2b OR regelt den Kündigungsschutz bei unverschuldeter Krankheit und legt die gesetzlichen Zeiträume fest.

Ich bin also wie folgt gegen eine Kündigung geschützt:

  • während 30 Tagen im ersten Dienstjahr
  • während 90 Tagen vom 2. Dienstjahr bis 5. Dienstjahr
  • während 180 Tagen ab dem 6. Dienstjahr

Nach diesen Fristen kann mir gekündigt werden, erhalte aber noch meine Lohnausfall-Entschädigung (Taggeld) weiter.

 

Wie lange darf ein Krankheitsbedingter Ausfall maximal dauern?

 

Es gibt keine maximale Dauer. Mein Ausfall dauert solange, wie mein Arzt mich für arbeitsunfähig betrachtet. Das schützt allerdings nicht vor einer Kündigung. Nach Ablauf des Kündigungsschutzes kann mir gekündigt werden. Die Lohnausfall-Versicherung zahlt dann aber für mich weiter.

 

Meine Therapie und mein Ausfall sind beendet. Was folgt nun?

  • Im günstigsten Fall kehre ich ohne grössere Probleme an meinen alten Arbeitsplatz zurück
  • Ich wechsle den Arbeitsplatz und beginne eine neue Stelle
  • Ich habe meine Stelle nach Ablauf des Kündigungsschutzes verloren und melde mich arbeitslos

Mein Arzt rät mir zu einem Wiedereinstieg im Teilzeitpensum. Kann sich mein Arbeitgeber dagegen wehren?

 

Nein. Mein Arbeitgeber muss die ärztliche Verordnung respektieren, wenn ich ihm ein Arztzeugnis vorlege.

 

Mein Gehalt wird dann beispielsweise wie folgt ausbezahlt: Für meine 50%-Beschäftigung erhalte ich 50% meines Gehalts vom Arbeitgeber und die Zusatzversicherung übernimmt die Zahlung von 80% des Restgehalts. Voraussetzung ist, dass mein Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat.

 

Mein Arbeitgeber zeigt wenig Verständnis für meine Krankheit. Er versucht sogar mich loszuwerden. Was soll ich tun?

 

Artikel 328 OR regelt den Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers: „Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen.“ Mangelndes Taktgefühl, Rücksichtslosigkeit und Boshaftigkeit am Arbeitsplatz können mir aber ganz schön das Leben schwer machen.

 

Aber Achtung, das muss noch lange nicht heissen, dass es sich um Mobbing handelt. Mobbing-Fälle sind sehr schwer zu definieren, vor allem weil es keine allgemein anerkannte Definition gibt. Der Begriff ist von der Rechtsprechung nur vage umschrieben in dem Sinne, dass jemand am Arbeitsplatz durch wiederholte Handlungen herabgewürdigt wird.

 

Im Zweifelsfall wende ich mich an meinen Gewerkschaftsverband, ein Rechtsdienstzentrum oder meinen Anwalt. Wichtig ist es, darauf zu achten, dass sich die Situation nicht verschlimmert.

 

Beispiele für Rechtsdienste in der Region:

  • Kantonale Anwaltsverbände bieten kurze juristische Konsultationen an. Kontaktiere direkt den kantonalen Verband.
  • Die Protestantische Sozialzentren sind nur in den Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und im Berner Jura aktiv
  • Frauenhaus Lausanne

Wichtig: Selbst wenn mein Chef versucht mich los zu werden, sollte ich unbedingt standhaft bleiben und nicht kündigen, bevor ich einen neuen Vertrag unterschrieben habe. Ansonsten kann es sein, dass ich die Lohnausfall-Versicherung

verliere und in dem Augenblick zusätzliche Probleme bekomme, wenn ich mich arbeitslos melde.

 

Und was passiert, wenn ich wegen meiner Erkrankung meinen Beruf nicht mehr ausüben kann?

 

Wenn ich über einen längeren Zeitraum berufsunfähig bin, wird die Invalidenversicherung aktiv. Alle Details zu diesem Thema finde ich in den Kapiteln berufliche Wiedereingliederung und Invalidität in der Broschüre «Krebs – Leistungen der Sozialversicherungen» der Krebsliga Schweiz.

 

Welche Gesetzestexte schützen mich am Arbeitsplatz?

 

Im Allgemeinen regeln 2 Gesetzestexte die Belange am Arbeitsplatz.

  • Das Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (ArG) wie auch die dazugehörenden Verordnungen
  • Das Obligationenrecht (OR), im Einzelnen die Artikel 319ff

Beachte: Abhängig von meinem Arbeitgeber (z.B. Öffentlicher Dienst, Verwaltung, Privatwirtschaft, Grösse der Firma, usw.) und von meiner Funktion (z.B. Kader) gelten für mich unterschiedliche Bestimmungen und nicht immer automatisch das Arbeitsgesetz (insbesondere Art.1, 2, 3 ArG).

 

Öffentliche Verwaltungen verfügen meist über eigene Regelungen, wie dem Bundespersonalgesetz vom 24.März 2000 (BPG), dem Waadtländer Personalgesetz vom 12.November 2001 oder dem städtischen Personalrecht.

 

Kurzum, man sollte sich genau über die geltenden gesetzlichen Grundlagen informieren.

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